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ZEITREISE IN MEILENSTEINEN

2012

Gewalt verhindern, bevor sie entsteht

Ansbacher Pilotprojekt war Vorbild für ganz Bayern

Die Eröffnung der Präventionsambulanz am Bezirksklinikum Ansbach hatte eine ganz besondere Strahlkraft. Was 2012 als ein in Deutschland einzigartiges Pilotprojekt begann, ist 2025 in Bayern zum Standard geworden. Heute gibt es in jedem Bezirk Präventionsstellen, wie sie heute heißen. Das zeigt: wer sich traut, als Erster neue Wege zu gehen, kann viel bewegen – vor allem für die Betroffenen. Denn die Präventionsstellen helfen vor allem denjenigen Patienten, die bis dahin durch jedes Raster gefallen sind.

Die Idee hinter der ersten Präventionsambulanz in Ansbach war, psychiatrische Risikopatienten davor zu bewahren, Straftaten zu begehen, die mit ihrer psychischen Erkrankung in Zusammenhang stehen. Gleichzeitig sollte diese präventive Arbeit zum Schutz potenzieller Opfer beitragen.

Ins Leben gerufen hat dieses neue Hilfsangebot der damalige Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie Dr. Joachim Nitschke. Die Präventionsstelle richtet sich bis heute speziell an Patientinnen und Patienten mit einer Schizophrenie oder einer sehr schweren Persönlichkeitsstörung. Denn oft brechen genau diese Betroffenen die Behandlung bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten ab.

Das Team der Präventionsstelle betreut diese Patientengruppe deshalb engmaschig durch regelmäßige Hausbesuche, individuelle Therapien und Gruppentherapien. Außerdem bietet es auch den Angehörigen Gespräche an.

Plakatkampagne “Stopp die Gewalt in dir”

2014 startete eine große Plakatkampagne, um die Öffentlichkeit für das Thema Gewaltprävention zu sensibilisieren und noch mehr Betroffene und auch deren Angehörige auf das Angebot aufmerksam zu machen. Denn zu diesem Zeitpunkt war Gewaltprävention in dieser Form noch relativ unbekannt. Es gab zwar Angebote, diese waren aber meist auf Pädophile ausgerichtet.

Unter dem Motto „Stopp die Gewalt in dir“ wurden über 100 Plakate an öffentlichen Plätzen in Nürnberg platziert. Parallel dazu wurden niedergelassene Ärztinnen und Ärzte angeschrieben, um Patientinnen und Patienten das Angebot zu empfehlen.

Vertreterinnen und Vertreter des Selbsthilfevereins für Psychiatrie-Erfahrene Pandora und des Vereins der Angehörigen psychisch Kranker in Mittelfranken haben damals an der inhaltlichen Konzeption der Kampagne mitgearbeitet.

Studie belegt Wirksamkeit

Um die Wirksamkeit der ersten Präventionsambulanz in Ansbach zu prüfen, wurde eine begleitende Evaluationsstudie mit einer Vergleichsgruppe aus dem Einzugsgebiet des Bezirksklinikums Erlangen durchgeführt. Die Studie, die bis 2018 andauerte, zeigte, dass über die Zeit das Risikoprofil für Gewaltstraftaten der Patienten der Präventionsambulanz verglichen mit den Vergleichsprobanden um ein Drittel sank. Zudem stiegen die psychischen, sozialen und beruflichen Funktionen stärker an.

Diese Bilanz nach sechs Jahren Modellphase überzeugte durchgängig: 2017 zeichnete die damalige Staatsministerin Melanie Huml das Modell mit dem Bayerischen Gesundheits- und Pflegepreis, der höchsten bayerischen Auszeichnung im Bereich Gesundheit, aus. 2018 wurde im Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz festgeschrieben, dass weitere Präventionsstellen nach dem Ansbacher Vorbild in allen bayrischen Bezirken flächendeckend entstehen sollen.

Allein in der Präventionsstelle in Ansbach erhielten seit 2012 über 400 Menschen ein ausführliches Screening. Davon wurden rund 240 langfristig von der Präventionsstelle begleitet. Dr. Martina Weig, Chefärztin der Klinik für Forensische Psychiatrie am Bezirksklinikum Ansbach, betont wie sehr Präventionsarbeit an Bedeutung zugenommen hat: 

„In Anbetracht der gesellschaftlichen Veränderungen und der zunehmenden Ambulantisierung der psychiatrischen Behandlung sind Präventionsstellen heute noch wichtiger als in der Phase, in der das Projekt in Ansbach ins Leben gerufen wurde. Die Patientenklientel, die in der Präventionsstelle behandelt wird, hat sich im Lauf der Jahre deutlich verändert: intensivere und engmaschigere Interventionen sind bei der aktuellen Klientel erforderlich.“

Deshalb sind sich Dr. Martina Weig und ihr Team sicher, dass durch die Arbeit der Präventionsstelle viele gewalttätige Handlungen verhindert werden konnten, und somit ein Beitrag zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen ebenso geleistet werden konnte wie ein Beitrag zum Opferschutz.