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ZEITREISE IN MEILENSTEINEN

2009

Nah am Leben, nah am Menschen

Wie Ambulantisierung das Gesicht der psychiatrischen Versorgung verändert

Manchmal beginnt eine große Veränderung nicht mit einem Paukenschlag, sondern so unscheinbar, dass man sie fast übersehen könnte. Ein neues Schild an einem Gebäude. Neue Räume, die bezogen und eingerichtet werden. Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, Pflegekräfte, die ihre Arbeit aufnehmen.

Genau so war es 2009, als die Bezirkskliniken Mittelfranken ihren ersten Außenstandort eröffneten: eine Psychiatrische Tagesklinik mit Institutsambulanz in Weißenburg, angegliedert an das Bezirksklinikum Ansbach. Ein kleiner Schritt – und doch der Anfang eines neuen Kapitels in der psychiatrischen Versorgung Mittelfrankens.

Wohnortnahe Versorgung

Anfang der 2000er-Jahre war die gängige Meinung klar: Wer ernsthaft psychisch erkrankt, gehört ins Krankenhaus. Stationär, weit weg vom Alltag. Gesundheit und Krankheit – deutlich getrennt.

Doch was, wenn Hilfe genau dort ansetzen könnte, wo das Leben stattfindet? Mitten im Alltag, zwischen Beruf und Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft? Genau diese Idee steckt hinter den Psychiatrischen Institutsambulanzen und Tageskliniken.

Mit der Eröffnung des Außenstandorts Weißenburg begannen die Bezirkskliniken, diese Idee Schritt für Schritt Wirklichkeit werden zu lassen. Es entstand eine Versorgung, die näher dran ist: näher an den Menschen, näher an ihrem Alltag und an dem, was ihnen Halt gibt.

Und schon bald zeigte sich der Erfolg: Patientinnen und Patienten, die früher oft längere Zeit auf Station verbracht hätten, finden Unterstützung, ohne ihren gewohnten Alltag aufgeben zu müssen. Angehörige lassen sich leichter einbinden, Rückschritte werden seltener. In vielen Fällen wird ein stationärer Aufenthalt sogar ganz überflüssig.

Mehr noch: Die wohnortnahe Versorgung senkt die Schwelle, Hilfe anzunehmen, und ermöglicht, frühzeitig mit einer Behandlung zu beginnen – lange bevor Krisen eskalieren. Das verkürzt Behandlungszeiten, verbessert Krankheitsverläufe und entlastet die Krankenhäuser mit ihren stationären Angeboten. Ambulante und teilstationäre Strukturen helfen zudem, Versorgungslücken zu schließen, besonders in ländlichen Regionen. Sie reduzieren soziale Folgeschäden, verhindern Arbeitsausfälle und chronische Krankheitsverläufe – und machen so die psychiatrische Versorgung insgesamt nachhaltiger und tragfähiger.

Entscheidung mit Weitblick

In den folgenden Jahren setzten die Bezirkskliniken die Strategie der Ambulantisierung konsequent fort und eröffneten weitere Tageskliniken und Psychiatrische Institutsambulanzen – unter anderem in Neustadt an der Aisch, Feuchtwangen, Roth und Fürth. Ergänzt wurden sie durch spezialisierte Angebote wie die Substitutionsambulanz SubstAnz in Nürnberg.

Heute kombinieren die Bezirkskliniken Mittelfranken ihre drei großen Ankerkliniken – das Bezirksklinikum Ansbach, das Klinikum am Europakanal Erlangen und die Frankenalb-Klinik Engelthal – mit einem dichten Netz aus Tageskliniken, Institutsambulanzen oder stationsäquivalenten Angeboten. Die Wege sind kürzer geworden, die Versorgung passgenauer, das Unterstützungsangebot vielfältiger. Die Entwicklung ist kein Zufall: Schon 2013 haben die Bezirkskliniken Mittelfranken diese strategische Ausrichtung fest in ihrer Unternehmensstrategie verankert. Der Aufbau eines dezentralen, wohnortnahen Versorgungsnetzes wurde zu einem ihrer wichtigsten Leitprojekte.

Die aktuelle Unternehmensstrategie für die Jahre 2023–2027 setzt diesen Weg entschlossen fort: Ambulante und teilstationäre Angebote sowie fachübergreifende Kooperationen sind heute keine Ergänzungen mehr, sondern tragende Säulen – für eine zukunftsfeste psychiatrische Versorgung in der Region. Rückblickend wirkt der erste Schritt in Weißenburg fast unscheinbar. Doch genau dieser kleine Anfang hat etwas in Bewegung gesetzt, das heute tausenden Menschen zugutekommt: eine Versorgung, die sie dort begleitet, wo sie leben.

Glossar

Psychiatrische Institutsambulanzen bieten eine spezialisierte, ambulante Behandlung für Menschen, die wegen der Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung intensivere Unterstützung benötigen. In multiprofessionellen Teams arbeiten Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen, Therapeutinnen und Therapeuten, Pflegekräfte sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen eng zusammen. Die Behandlung ist flexibel, individuell und oft langfristig angelegt. Durch die enge Anbindung an die Ankerkliniken können Krisen schnell abgefangen werden.

Psychiatrische Tageskliniken verbinden therapeutische Angebote mit der Möglichkeit, weiterhin im eigenen sozialen Umfeld zu bleiben. Patientinnen und Patienten kommen tagsüber zur Behandlung und verbringen Abende, Nächte und Wochenenden zu Hause. Dieses Modell ermöglicht eine kontinuierliche therapeutische Begleitung, ohne den Alltag komplett zu unterbrechen – Familie und Freundeskreis bleiben wichtige Stützen auf dem Weg zur Genesung.

Bei einer stationsäquivalenten Behandlung bleiben Patientinnen und Patienten während der gesamten Behandlungsdauer zu Hause. Sie ist für Menschen gedacht, die eigentlich eine stationäre psychiatrische Behandlung benötigen, sich aber in ihrem vertrauten Umfeld besser erholen können. Ein multiprofessionelles Team kommt täglich vorbei, führt therapeutische Gespräche und Visiten durch und ist rund um die Uhr erreichbar. Umfang und Qualität der Behandlung entsprechen dabei einer vollstationären Versorgung im Krankenhaus. Im Notfall ist jederzeit auch eine schnelle stationäre Aufnahme in die Klinik möglich.