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BLICK IN DIE ZUKUNFT

Spezialisierte Zentren wie das ZNR sind heute wichtiger denn je

Chefärztin PD Dr. Christine Kiphuth über Perspektiven der neurologischen Rehabilitation

Neurologische Rehabilitation heißt: Menschen mit neurologischen Erkrankungen oder Behinderungen dabei zu unterstützen, ein größtmögliches Maß an Teilhabe, Selbstbestimmung und Lebensqualität (wieder) zu erlangen. Wie anspruchsvoll und zugleich wirkungsvoll das ist, zeigt sich täglich im Zentrum für Neurologie und Rehabilitation (ZNR) der Bezirkskliniken Mittelfranken. Hier wird sichtbar, was moderne Rehabilitationsmedizin leisten kann. Voraussetzung dafür ist, dass sie die Komplexität neurologischer Erkrankungen – insbesondere von Schädel-Hirn-Verletzungen – ernst nimmt und ihren individuellen Auswirkungen und Verläufen angemessen Rechnung trägt. Gerade hier hat sich die Neurorehabilitation in den vergangenen Jahrzehnten deutlich weiterentwickelt.

Strukturelle und therapeutische Fortschritte

Diese Entwicklung wurde maßgeblich durch strukturelle Veränderungen geprägt: So entstanden spezialisierte Zentren für neurologische Rehabilitation, in denen multidisziplinäre Teams auf Basis individueller Behandlungspläne arbeiten. Das Zentrum für Neurologie und Rehabilitation (ZNR) in Erlangen steht exemplarisch für diesen Ansatz. Ergänzend kamen erhebliche medizinische und therapeutische Fortschritte hinzu, sichtbar unter anderem in der flächendeckenden Einführung moderner zerebraler Bildgebungsverfahren sowie neuer neurophysiologischer Untersuchungsmethoden.

Auch politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen spielten eine entscheidende Rolle: Gesetzliche Vorgaben wie das Gesundheitsstrukturgesetz oder das Gesetz zur Stärkung der Rehabilitation haben der modernen rehabilitativen Medizin wichtige Impulse verliehen und diese nachhaltig beeinflusst.

Von der frühen Rehabilitation bis zur robotischen Therapie

Die Anfänge der neurologischen Rehabilitation liegen in der medizinisch-psychologischen Versorgung schädelhirnverletzter Soldaten während des Ersten Weltkrieges. Seither haben experimentelle Studien und bildgebende Verfahren wesentlich tiefere Einblicke in die Plastizität des zentralen Nervensystems ermöglicht. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse konnten neue Therapiekonzepte entwickelt und etabliert werden. Dazu zählen insbesondere robotische Therapieverfahren, die heute selbstverständlich in therapeutische und pflegerische Behandlungsabläufe integriert sind.

Endeffektorgeräte für das motorische Training gelähmter Extremitäten sowie intelligente Software, die spielerische Elemente und Mechanismen integriert, gehören mittlerweile zur Standardversorgung in der neurologischen Rehabilitation. Ergänzend hat auch eine realitätsnahe kognitive Stimulation ihren Platz, da sie wesentlich zur Motivation der Patientinnen und Patienten beiträgt. Teile der Therapie können nach der Entlassung ins häusliche Umfeld überführt werden und ermöglichen dort ein gezieltes Eigentraining – ein wichtiger Schritt, um Rehabilitationsfortschritte im Alltag zu festigen.

Die Wirksamkeit dieser Therapieformen hinsichtlich funktioneller und alltagsrelevanter Parameter ist mittlerweile gut belegt. Dennoch konnten trotz der höheren Wiederholungszahlen robotischer Verfahren bislang keine signifikant höheren Effektorstärken gegenüber konventionellen Therapieansätzen nachgewiesen werden.

Wandel des Patientenspektrums und Herausforderungen der Zukunft

Hundert Jahre nach den Anfängen der neurologischen Rehabilitation hat sich das Diagnosespektrum grundlegend gewandelt: Heute dominieren Schlaganfälle, hypoxische Hirnschäden und Critical-Illness-Polyneuropathien das Behandlungsgeschehen. Schädel-Hirn-Traumata machen dagegen nur noch zehn Prozent der zur Neurorehabilitation führenden Erkrankungen aus.

Zudem ist bei vielen Patientinnen und Patienten eine ausgeprägte Multimorbidität festzustellen, die sich in höheren Case-Mix-Indices in der neurologischen Frührehabilitation widerspiegelt. Diese Tendenz wird sich aufgrund des demografischen Wandels weiter verstärken: Prognosen des Statistischen Bundesamtes zufolge steigt die Zahl der Menschen ab 67 Jahren von derzeit rund 16 Millionen (2018) auf über 21 Millionen im Jahr 2039. Ältere und chronisch kranke Menschen sind besonders anfällig für neurovaskuläre Erkrankungen, die heute bereits über 50 Prozent der neurologischen Rehabilitationsfälle ausmachen.

Ausblick: Versorgungslösungen von morgen

Wie sich die aktuellen politischen Bestrebungen auf die neurologische Rehabilitation auswirken werden, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass mit der steigenden Anzahl neurologischer Erkrankungen der Bedarf an rehabilitativen Leistungen weiterwachsen wird. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, braucht es zwingend weitere Anpassungen – sowohl in Bezug auf Personal und Infrastruktur als auch hinsichtlich digitaler Versorgungsangebote.

Die Zukunft der neurologischen Rehabilitation wird entscheidend davon abhängen, wie gut es gelingt, intersektorale Versorgungslösungen erfolgreich zu etablieren, digitale Technologien sinnvoll zu integrieren und eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen. Denn nur so können künftig alle Patientinnen und Patienten optimal versorgt und bestmöglich unterstützt werden.

Gerade spezialisierte Einrichtungen wie das Zentrum für Neurologie und Rehabilitation im Klinikum am Europakanal zeigen, welches Potenzial in einer modernen, interdisziplinär ausgerichteten Neurorehabilitation steckt – und welche Rahmenbedingungen nötig sind, um dieses Potenzial voll zu entfalten. Heute und in Zukunft.