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BLICK IN DIE ZUKUNFT

Die Zukunft der psychiatrischen Versorgung am Klinikum am Europakanal

Chefarzt Dr. Ulrich W. Kastner über Chancen, Herausforderungen und die Psychiatrie von morgen

Die Psychiatrie-Enquête von 1975 leitete eine Ära der patientenzentrierten, offenen Versorgung ein. Fünfzig Jahre später blicken wir auf eine Psychiatrie, die sich zu einer inklusiven, wohnortnahen Versorgungslandschaft weiterentwickelt hat. Am Klinikum am Europakanal, getragen von den Bezirkskliniken Mittelfranken, gestalten wir diesen Wandel aktiv – mit einem Dreisäulen-Modell aus Regionalversorgung, überregionaler Spezialversorgung und dem ambulanten Zentrum für Integrierte Psychische Gesundheit (ZIPG).

In enger Kooperation mit anderen Trägern sichern wir eine leistungsstarke Notfallversorgung für alle Krankheitsbilder – unterstützt durch Konsildienste, somatische Expertise und innovative Versorgungsmodelle. Angebote wie Psychotherapie in Gebärdensprache, spezialisierte Traumatherapie oder Suchtmedizin fördern eine multikulturelle, antistigmatisierende Versorgung. Das ZIPG bündelt neben der ambulanten psychiatrischen Regelversorgung Krisenintervention, Suizidprävention und zukünftig auch flexible tagesklinische Strukturen – als Ausdruck des Grundsatzes: ambulant vor stationär.

Wandel und Herausforderungen

Die Zunahme psychischer Erkrankungen spiegelt Krisen, Isolation, digitale Überforderung und gesellschaftlichen Umbruch wider. Unsere Antwort ist ein flächendeckendes Netz an stationären, teilstationären und ambulanten Strukturen – darunter das PIAplus-Modell für aufsuchende Betreuung und spezialisierte Therapieformen wie repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS), Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), Elektrokonvulsionstherapie (EKT) und Traumatherapie.

Prävention bleibt dabei ein zentrales, aber unterfinanziertes Handlungsfeld. Unsere Institutsambulanzen und das ZIPG ermöglichen aber heute schon frühe Diagnostik, niedrigschwellige Beratung und gezielte Suizidprävention. Flexible Tageskliniken (Flex-TK), aufsuchende Angebote und digitale Sprechstunden erweitern den Zugang. Politisch braucht es hier klare Signale: Für eine offene Psychiatrie, die Zwang vermeidet und frühzeitig hilft.

Die Ambulantisierung verändert aktuell unsere Arbeit grundlegend. Mit Stationsäquivalenter Behandlung (StäB), Home-Treatment, Flex-Tageskliniken und multiprofessioneller Koordination gestalten wir flexible Behandlungsverläufe. Besonders in ländlichen Regionen wie Höchstadt und Neustadt sichern wir so Qualität und Nähe.

Innovation und Haltung

Suizidprävention ist ein Kern unserer Versorgung – stationär wie ambulant. Durch strukturierte Risikoerfassung, frühe Intervention und nachhaltige Beziehungsgestaltung reduzieren wir Zwang und stärken Sicherheit. In der Akutversorgung setzen wir konsequent auf das Track-Konzept: Störungsspezifische Behandlungswege, multiprofessionelle Fallverantwortung und verlässliche Übergänge zwischen Klinik, Tagesklinik und Ambulanz sorgen für Kontinuität und Qualität – insbesondere bei komplexen Krankheitsverläufen.

Unsere Versorgungsforschung verbinden wir mit universitärer Exzellenz: In Kooperation mit den Universitäten in Erlangen, Jena, Frankfurt und Dresden untersuchen wir u. a. Einsamkeit, Suizidalität, Digitalisierung und neue Versorgungsmodelle. Ziel ist eine evidenzbasierte, regional verankerte Psychiatrie. Zudem leben wir Multikulturalität im Team: Sprachkompetenzen, kulturelle Sensibilität und spezialisierte Angebote ermöglichen eine diskriminierungsfreie und kultursensible Versorgung.

Ausblick

Trotz guter Bewerberlage im ärztlich-psychologischen Bereich bereiten wir uns gezielt auf den Fachkräftemangel vor: mit modernen Weiterbildungen (u. a. DBT, Traumatherapie, rTMS), der P3-Akademie und starken akademischen Kooperationen in Medizin, Sozialarbeit und Psychologie. Unser Ziel: Junge Talente für die Psychiatrie begeistern und die Versorgung langfristig sichern.

Die Gesundheitspolitik hat die Ambulantisierung ermöglicht – nun braucht es Reformen, die auch Prävention, Krisenintervention und neue Modelle wie Flex-TK, StäB und Track-Strukturen systematisch fördern. Eine offene, inklusionsorientierte Psychiatrie braucht übersektorale, flexible Abrechnungssysteme, klare Zuständigkeiten und politischen Rückhalt.

Für die nächsten 20 Jahre

Die Bezirkskliniken Mittelfranken wollen ihre Vorreiterrolle weiter ausbauen – durch Nähe, Wissen und Haltung. Das Klinikum am Europakanal bleibt Leuchtturmprojekt: mit seinem Dreisäulenmodell, dem ZIPG, starker Forschung und klarer Ausrichtung auf ambulante Versorgung.

Denn Psychiatrie im 21. Jahrhundert braucht Nähe durch ambulante, tagesklinische und aufsuchende Angebote, Wissen durch Forschung, Digitalisierung und spezialisierte Therapie, Haltung durch ein diverses, multikulturelles Team, das psychische Gesundheit für alle zugänglich macht.

Dafür stehen die Bezirkskliniken Mittelfranken – und der Standort Erlangen in besonderer Weise.